Ähnliche Situationen kennen wir alle: Du bist völlig kaputt und trotzdem sollst du noch Leistung bringen oder Fröhlichkeit ausstrahlen. Und genau darum geht‘s jetzt: Ist dieses sogenannte Neuro Enhancement gut oder schlecht? Wie steht es um die Risiken und die Chancen? Für mich? Die Gesellschaft?
Zu allererst: Was ist Neuro Enhancement?
to enhance ist Englisch für aufwerten
Einfach gesagt: Alles zum „schneller denken“ oder „sich besser fühlen“ – für Gesunde!
Im Fachjargon heißt das: Verbesserungen der kognitiven Leistungsfähigkeit oder psychischen Befindlichkeit, mit denen keine therapeutischen oder präventiven Absichten verfolgt werden und die pharmakologische oder neuro-technische Mittel nutzen.
Enhancements gibt es in vielen Formen und existieren schon lange, nur dass sie eigentlich für die Heilung gedacht sind.
Die enthaltenen Stoffe manipulieren die neuronalen Prozesse im Gehirn. Enhancements werden auch in Deutschland immer beliebter. Trotzdem gibt es leider noch sehr wenige Daten zu deren Wirkungen.
Enhancement im Sport ist verboten – dort nennen wir es abfällig Doping. Ganz anders im Alltag – Kaffee, Sudokus und Schokolade bezeichnet keiner als unmoralisch.
Wie sollen wir also Enhancements beurteilen?
Das Grundgesetz gibt uns den Rahmen für diese Beurteilung – genauer das Recht auf Selbstbestimmung. Allerdings dürfen unter dieser Freiheit andere nicht leiden.
Nun zur Debatte und den Hauptargumenten.
Ein ethischer Einwand: Enhancement sei ein „Eingriff in die Natur“!
Dieses Argument ist schnell entkräftet: Schließlich nehmen wir zum Beispiel Medikamente und buddeln nach Öl. Also verändern wir die Natur.
Biologische Aspekte
Das Contra-Argument: Enhancement gefährdet unsere Gesundheit!
Ein entscheidendes Argument. Wenn man körperliche Abhängigkeit nachweist, dann müssen wir Enhancements ablehnen. Dagegen psychische Abhängigkeit ist zwar möglich, dient aber nicht als Argument. Offensichtlich gehören solche Abhängigkeiten nämlich zum Leben. Die Wenigsten wollen das Internet oder Handys verbieten, nur weil einige davon abhängig sind.
Ethische Aspekte
In welchem Zusammenhang steht Enhancement mit einem gelingenden Leben und Zusammenleben?
Hier müssen wir zunächst folgendes festhalten: Leben ausschließlich auf Leistung und Effizienz ausgerichtet ist schlicht nicht menschlich. Technischer Fortschritt und materieller Wohlstand muss danach beurteilt werden, was sie dem Menschen bringen und nicht umgekehrt. Unsere Ideale: gelingendes Leben, innerer Reichtum, humane Gesellschaft. Wir dürfen Zauberpillen also nicht erlauben, nur damit Stefan Raab auch noch mit 60 in den Wok steigt und Angela Merkel im Kanzelamt nicht einschläft. Dafür nicht!
Trotzdem: Das Leben wird mit Enhancern für viele besser!
Wir werden doch niemanden dafür ausschimpfen, dass er seine Aufgaben besser bewältigt, schneller Fremdsprachen lernt oder stärkeres Mitgefühl zeigt. Das finden wir doch toll! Und a propos Kinder, die nebenbei nicht selbst entscheiden: Eltern sollen doch gerade die Zukunftsaussichten ihrer Kleinen fördern. Mit Enhancern Fragezeichen?
Gegenannahme: In unserer Ellenbogengesellschaft wird der ohnehin hohe Leistungsdruck noch steigen. Für diejenigen, die Superpillen ablehnen entsteht Nötigungsdruck! Ein Dilemma nach dem Motto: Schlechte Note oder schlechtes Gewissen?
Ja, das ist wohl wahr. In diesem Zusammenhang wird oft das Wort sozialadäquat genannt. Das heißt hier: Erlaubtes Risiko. Nehmen wir zum Beispiel den Straßenverkehr. Eigentlich müsste man Autofahren verbieten, wegen der vielen Verkehrstoten. Eben bei diesem komplexen Aspekt ist ein gesellschaftsweiter Diskurs notwendig. Ist Enhancement sozialadäquat?
Chancenungleichheit ist auf jeden Fall nicht sozialadäquat! These: Die Gesellschaft wird unter Enhancement leiden – wenn nicht sogar zerbrechen!
Enhancement kostet Geld! Die ohnehin bevorteilten Reichen können sich also weitere Privilegien sichern. Die Enhancement-Befürworter entgegnen denkbar einfach, dass auch heute soziale Ungerechtigkeiten gesellschaftlich akzeptiert werden – Stichwort Privatschulen. Aber mit dieser Schlussfolgerung, wäre die Gleichberechtigung der Frau heute noch Zukunftsmusik. Generell gilt: Der Staat muss dafür sorgen, dass die Schere zwischen Arm und Reich sich nicht weiter öffnet.
Umgekehrt: Man könnte die Chancengleichheit gerade durch Enhancement schaffen – durch Besteuerung der Privilegierten und Subventionierung unter sozial benachteiligten Schichten. Ganz allgemein: Ist die Anhebung des geistigen Niveaus nicht ein schlagkräftiges Argument für Enhancement?
Wir haben Sicherheit, Freiheit und Gerechtigkeit angesprochen. Jetzt müssen wir noch fragen: Was passiert denn ... wenn Enhancement nun gesellschaftlich gebilligt ist? Wer kontrolliert und wer informiert?
Am besten Ärzte, auch wenn deren Aufgaben vornehmlich darin bestehen, körperliche und seelische Beeinträchtigungen zu heilen, zu lindern oder zu verhindern. Aber warum sollen sie nicht auch Gesunden helfen? Das tun sie doch schon: Denkt an Schönheitschirurgie oder die Pille.
Außerdem können Pharmaunternehmen sich dann offen zur Enhancement-Forschung bekennen und diese auch gezielt angehen. Der Staat könnte strenge Vorschriften und Regeln festlegen. Statistiken könnten erhoben werden.
Enhancement im Verborgenen nutzt niemandem. Die Firmen und Ärzte bedienen den Markt indirekt, indem sie immer höhere gesundheitliche Standards geltend machen – das Normale wird irgendwann als krank erklärt.
Das waren Pro- und Contra-Argumente
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